Torsten Dederichs

Mut
Photo by Antoine Martin on Unsplash, rendered by Torsten Dederichs

Plädoyer für eine mutige FDP

Nach den enttäuschenden Wahlen in Brandenburg und Sachsen, wurde in den Medien offen darüber sinniert, ob die FDP überflüssig sei. Freilich, als FDP Mitglied, sehe ich das nicht so, denn tatsächlich haben wir als Liberale eine wichtige, fast zwingende Verantwortung für die liberale Demokratie, in der wir leben. So müssen wir optimistische Antworten auf die Zukunftsfragen der Digitalisierung geben aber meiner Ansicht nach uns auch auf das lange Erbe der Aufklärung besinnen. Gerade in Zeiten der religiös geführten Klimawandel-Diskussion — ich denken das kann man so feststellen — müssen wir die Stimme der Aufklärung sein, denn diese steht am Anfang der Freiheit!

Ich finde es wohltuend und unterstütze aus vollem Herzen, dass die FDP bei der angestrebten CO2-Reduktion, Lösungen durch Sachverstand und auf der Basis der Marktwirtschaft einfordert. Anders als alle anderen politischen Wettbewerber, die staatsgelenkte Prinzipien verfolgen; also Lösungswege, die erwiesenermaßen noch nie funktioniert haben. Das ist ein Anfang.

Aber mir geht dieser von der FDP angestrebte Wandel in der Diskussion noch nicht weit genug: Ich finde nämlich, dass die Diskussion hinsichtlich des gesellschaftlichen Umgangs mit dem atmosphärischen Kohlendioxid in unserer Gesellschaft noch nicht geführt worden ist. Was nach den bereits wirkungslos umverteilten EEG-Milliarden äußerst beängstigend ist. Bitte verstehen Sie mich richtig: Das in der Atmosphäre gebundenen CO2 besitzt die ihm zugeschrieben Eigenschaften auf das Klima und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt durch die Verbrennung fossiler Energiequellen stetig. Aber es hat meiner Ansicht nach aber noch keine hinreichende politisch geführte Abwägung darüber gegeben, wie nun mit diesen Fakten aus gesellschaftlicher Sicht richtigerweise umzugehen ist. Also nicht, was die beste Reduktionsmethode ist, sondern sogar, ob überhaupt reduziert werden sollte, weil die gesellschaftlichen Vorteile der Nutzung fossiler Rohstoffe letztlich doch überwiegen und man stattdessen lieber die Auswirkungen kurieren sollte. Dies sind nur die beiden Extreme. Dazwischen gibt es beliebige Schattierungen, die aber auch noch nicht diskutiert wurden.

Stellen Sie sich einfach mal die Frage, wie viele Möglichkeiten Ihnen einfallen ein Bild aufzuhängen:

  • mit einem Nagel
  • mit einer Schraube
  • mit Klebstoff
  • mit einem Heftzweck
  • an einer Bilderschiene

Aber in Bezug auf das weitaus komplexere Problem, dem Umgang mit dem atmosphärischen CO2 und dem Klimawandel, soll es nur den einen Weg geben? Ich halte das für zutiefst unglaubwürdig. Ich denke, gerade wir Freien Demokraten sollten es hier mit dem Philosophen Karl Popper halten: „Immer wenn dir eine Theorie als die wirklich einzig mögliche erscheint, nimm das als Zeichen, dass du weder die Theorie noch das zu lösende Problem verstanden hast.“

Die (Selbst-)Beschränkung auf nur eine Lösung sollte unsere Sache niemals sein. Zumal, wenn diese ideologiegetrieben ist und erst recht nicht, wenn diese einzige Idee unwidersprochen politischer Mainstream wird. Insofern unterstütze ich den Aufruf, der nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg zuweilen zu hören war: „Die FDP muss in ihren Standpunkten mutiger werden.“

Was meiner Ansicht nach in der gesellschaftlichen Diskussion daher dringend zu besprechen wäre, ist Folgendes:

  • Es ist zwingend, dass wir Liberale unser Erbe der Aufklärung verteidigen: Es gibt wissenschaftliche Prinzipien, nach denen Forschungsergebnisse in Theorien münden. Aber selbst bei Vorliegen einer Theorie ist die Wissenschaft noch nicht abgeschlossen: Theorien müssen sich laufend aufs Neue einer kritischen Auseinandersetzung stellen und behaupten. Wie intensiv in Bezug auf die Theorien um den Klimawandel diese Diskussionen in den Universitäten der Welt geführt werden, kann ich freilich nicht sagen. Sie sollten bei diesem großen gesellschaftlichen Thema aber auch unbedingt öffentlich geführt werden. Diese Auseinandersetzung findet aber nicht statt, zumindest nicht auf der Sachebene. Stattdessen wird schnell in Kategorien wie Klima-Leugner bzw. Klima-Alarmist gedacht, also ad hominem argumentiert. Also weg von der wissenschaftlichen hin zur persönlich, diffamierenden Ebene. Eine Denkweise die man eigentlich nur aus anderen politischen Systemen als dem unseren kennt. Auch Aussagen, wie „97 % der Wissenschaftler sind der Meinung …“ verhöhnen unsere aufgeklärten Vorstellungen, denn am Ende braucht es nur einen wachen Geist, der die Lösung findet. Wir sollten von diesem einen Menschen nicht auch noch verlangen, dass sie oder er ein außerordentlich mutiger Mensch sein muss. Wir brauchen also hier wieder eine sachliche, alle Seiten beleuchtende Denk- und Debattenkultur.
  • Kann der aktuelle Sachstand der Klimaforschung überhaupt der Politik notwendige Hintergründe darüber zur Verfügung stellen, in welcher Geschwindigkeit sich das Klima wandeln wird? Die einst populäre Hockeystick-Kurve hat sich — erfreulicherweise — nicht bewahrheitet. Stattdessen wird die der Kurve zugrundeliegende, angenommene CO2-Sensitivität laufend nach untern korrigiert, was der Welt bzw. der Gesellschaft nützliche Zeit verschafft, klug statt überstürzt zu handeln. Haben wir doch so die Möglichkeit, ganz im Sinne der Idee vom“piecemeal social engineering“ (ebenfalls Karl Popper), einen Wandel in kleinen zielgerichtete Schritten, der am Ende allen nützt, zu vollziehen. Das wäre aus meiner Sicht eine verlockendere Perspektive, als den heute propagierten Wandel durch eine brachiale Transformation, die am Ende der Gesellschaft mehr geschadet als genutzt hat. 
  • Ist eine CO2-Reduktion auf 0-Emission überhaupt die richtige Lösung? Sie ist sehr kostenintensiv und wird potenziell zu einer De-Industrialisierung führen. Sind wir dazu bereit? Oder überwiegt der Nutzen der fossilen Rohstoffe, zum Beispiel durch die Verfügbarkeit von Elektrizität, Wärme, Düngestoffen, Medikamenten oder anderer Industrieprodukten? Lässt sich der Fortschritt im globalen Kontext realistischerweise überhaupt aufhalten? Dürfen wir moralisch den Entwicklungsländern ihre Entwicklung versagen, die wir in Deutschland noch nehmen durften? Welcher Klimaschaden droht uns genau und wäre es nicht vielleicht gesellschaftlich doch günstiger, zum Beispiel die Deiche zu erhöhen, Norddeutschland wie das Ruhrgebiet dauerhaft trocken zu pumpen — immerhin machen das unsere Nachbarn in den Niederlanden schon seit Jahrhunderten. Bei den 500 Mrd. Euro, die wir an EEG Subventionen bis 2025 bereits aufgebracht haben werden, die aber im Gegenzug keinen nennenswerten CO2-Reduktionseffekt herbeigeführt haben, denke ich fast, eine schrittweise Anpassung könnte günstiger sein. Allein mir ist hierzu keine öffentlich geführte Diskussion und schon gar keine Kosten-/Nutzen-Abschätzung bekannt.

Die Nichtbeantwortung der vorangestellten Fragestellungen in der öffentlichen Diskussion sind meiner Befürchtung nach geeignet, unsere liberale Demokratie zumindest zu gefährden. Dass das politische Klima durch die ideologisch geführte Argumentation bereits vergiftet ist, lässt sich sicherlich schon jetzt ohne Zweifel feststellen. Und dazu zu bedenken ist, dass sich zwischen einer scheinbar harmlosen Ideologie und ihren gar nicht harmlosen, radikalen Anwendungen keine klaren Grenzen ziehen lassen, denken Sie nur an die Situation im Hambacher Forst. Deshalb muss die Aufklärung an der Wurzel des Übels ansetzen. Wir müssen als Liberale die Diskussion neu eröffnen.

Ich wünsche mir also von meiner FDP, dass wir hier als Freie Demokraten uns als eine echte liberale Kraft positionieren: Der Aufklärung und Wissenschaft verpflichtet, rational und unideologisch denkend und handelnd sowie stets auf der Suche nach abgewogenen Lösungen. Nicht erst bei der CO2-Reduktion, sondern bereits in der Forschung vorab, um überhaupt die Größe des Problems bewerten zu können. Nur so kann man den Scharfmachern von Rechts, aber auch von Grün/Links begegnen. Indem wir Glauben durch Denken ersetzen, können wir an diesem Beispiel die wichtigsten Aspekte liberalen Gedankengutes vorleben: Freiheit des Geistes und der Forschung, Optimismus, Pragmatismus, Lösungsorientierung, gesellschaftliche Verantwortung statt Verfolgung von Partikularinteressen usw..

Ich weiß, dass das Thema Klimawandel gesellschaftlich zu einem Minenfeld geworden ist, und man sich hier all zu leicht die Finger verbrennen kann. Es ist sicherlich auch geeignet, politische Ambitionen und Karrieren zu zerstören, keine Frage. Ich halte es aber andererseits auch für zumindest politisch fahrlässig die Rolle der Opposition gegen den Klima-Mainstream den Scharfmachern der AFD alleine zu überlassen. Sie nutzen dieses Thema weidlich für ihre Rolle als Fundamentalopposition aus. Diese Haltung ist genauso unangemessen und gefährlich, wie die Vereinfachungen der Ökoaktivisten. 

Ich bin sicher, dass ich mit meinen oben beschriebenen Gedanken nicht alleine bin. Ich bin aber auch sicher, dass viele Menschen sich nicht mehr trauen, Dinge öffentlich zu hinterfragen. Diese Menschen fühlen sich aber durch die ideologische Klimawandel-Doktrin in ihrem Verstand gedemütigt und werden so in die Arme der AFD — und anderer Bauernfänger — getrieben. Wir können hier als FDP punkten, in dem wir diesen Wunsch nach Anerkennung, den jeder Mensch tief in sich trägt, ernster nehmen.

Als Ermutigung mag es sicherlich taugen, auch einen Blick auf die Grünen zu werfen: Als diese Ende der 1970er antraten, standen sie keineswegs für eine Politik des politischen Mainstreams. Sie stehen und standen für eine radikale ökologische Transformation. Und dennoch sind sie heute 40 Jahre später, trotz des freiheitsbeschränkenden Repertoires ihrer Mittel, die politische Kraft der Stunde. Wir Freien Demokraten bauen indes auf ein politisches Erbe, dass seine Anfänge bereits Jahrhunderte zuvor hatte. Unsere Ideen und Konzepte haben Monarchien und Diktaturen gestürzt und Demokratien ermöglicht. Selbst heute noch, zum Beispiel gerade in Hongkong, stehen Menschen für das Prinzip Freiheit auf und treten der chinesischen Staatsmacht entgegen. Wir sollten die Kraft des Liberalismus nicht unterschätzen. Das Risiko in einer Gesellschaft zu leben, in der es an Freiheit fehlt, sollte uns Antrieb genug sein. Wir haben keine andere Wahl als konsequent für sie einzutreten!